Verschlechternde Ablösung von Versorgungszusagen

BAG 3. Senat, Urteil vom 13.10.2020 – 3 AZR 246/20

Eine wichtige Entscheidung zur Ablösung von Versorgungszusagen hat das BAG in einem neueren Fall entschieden, in dem der klagende Versorgungsberechtigte entsprechend einer Betriebsvereinbarung von 1979 (BV 1979) eine Zusage zur betrieblichen Altersversorgung erhielt. 1988 wurde diese Betriebsvereinbarung geändert (BV 1988), wodurch – anders als zuvor auf Grundlage der BV 1979 –der jährliche Steigerungsbetrag ab dem 1. Januar 1988 noch 0,2 % statt wie zuvor 0,4 % betrug. Seit dem 01.01.2004 erhält der Kläger Betriebsrente, die ohne die Halbierung der künftigen Steigerungsbeträge natürlich höher ausgefallen wäre.


Wird eine Versorgungsordnung geändert oder abgelöst, sind die Besitzstände der Versorgungsberechtigten geschützt. Unternehmen müssen rechtfertigende Gründe vorbringen können, wenn dabei Anwartschaften reduziert werden. Soweit in bestehende Besitzstände eingegriffen wird, sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dies prüft das BAG anhand der sog. Drei-Stufen-Theorie. Je schwerwiegender der Eingriff in Besitzstände ist, desto größeres Gewicht müssen die Gründe für einen solchen Eingriff haben. Für Eingriffe in dienst-zeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich proportionale Gründe. Auch im vorliegenden Fall lag ein Eingriff in künftige Zuwächse vor.
Es haben sich bereits einige Fallgruppen entwickelt, in denen ein Eingriff zulässig sein kann. Der häufigste Grund ist eine ungünstige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens.
Mit der vorliegenden Entscheidung hat das BAG einen weiteren Grund anerkannt:
-> Eine neue gestaltende Verteilungsentscheidung.
Somit wäre es möglich, auf neue Gegebenheiten und veränderte Wertvorstellungen zu reagieren.

Der Arbeitgeber darf eine neue gestaltende Verteilungsentscheidung treffen. Eine solche kann vorliegen, wenn nicht nur Versorgungsleistungen abgesenkt werden, sondern zu-gleich auch rückwirkend Arbeitnehmer in das Versorgungswerk aufgenommen werden. Dann liege nicht bloß ein Absenken des Versorgungsniveaus vor. Vielmehr werden die Leistungen neu auf die Beschäftigten verteilt. Weitere Details hat das BAG allerdings nicht ausgeführt, sondern zur weiteren Sachverhaltsermittlung an das LAG Saarland zurückverwiesen.


Weiterer Inhalt der Entscheidung:
In diesem Urteil hat das BAG auch noch eine andere schwerwiegende Aussage getroffen: Die Arbeitgeberin erhob nämlich den Einwand der Verwirkung gem. § 242 BGB, da der Rentner die Änderung der Versorgungsordnung erst 13 Jahre nach Eintritt in den Ruhestand!! angreift:
Rechte, die durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumt würden, seien von Gesetzes wegen nach § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG dem Einwand der Verwirkung entzogen. Das BAG verweist jedoch auf die Möglichkeit, als Versorgungsschuldner die Einrede der Verjährung zu erheben.


Empfehlung für die Praxis:
Unternehmen können daher insbesondere ohne wirtschaftliche Schwierigkeiten die Versorgungsleistungen neu verteilen. Dies darf auch zu Kürzungen der Zuwachsraten einiger Arbeitnehmer führen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Dotierungsrahmen im Wesentlichen zumindest gleich hoch bleibt und der Eingriff für die nachteilig betroffene Arbeitnehmergruppe zumutbar ist.